Die Musik-Tipps4U für den Februar
Wir haben die besten Künstler aller Zeiten

Einst sind sie gekommen, um sich zu beschweren. Jetzt sind sie geblieben. Seit 30 Jahren schon machen Tocotronic den deutschen Musikmarkt ein bisschen wertvoller und aufregender. Und dürften mit ihrer Karriere als Blaupause für Bands wie Provinz dienen, die es nicht von ungefähr auch nach Hamburg verschlagen hat. Dazwischen: Singer-Songwriter-Pop abseits der Bendzko-Pfade, unheilige Schwermetall-Romantik und ein bisschen queere Disco aus England, weil am Kanal ja nicht Schluss sein soll mit dem Tanzbeinschwingen. Kurz: Der Februar wird ein bisschen schwarz (Sotiria) und ganz schön bunt. Und ist damit ein Vorgeschmack auf ein Frühjahr der Popmusik, dessen Schmetterlingsflügelschläge uns jetzt schon in freudige Erwartung versetzen. Mit Musik wird eben alles leichter. Selbst ein grauer Februar. Viel Spaß!

Inhalt der Seite

  • Tocotronic
  • Provinz
  • Joris
  • Sotiria
  • Olly Alexander

 

Tocotronic

Golden Years

Tocotronic und die alternative (und längst nicht mehr nur die) Musikszene in Deutschland, das ist eine Liebesgeschichte, die nun schon 30 unglaubliche Jahre lang währt. 30 Jahre, in denen Dirk von Lowtzow und Co. bislang 13 Alben lang den Lehrplan der sogenannten Hamburger Schule gepredigt haben. Hauptinhalt: feine schrammelige Gitarren und tiefgründige Poesie. „Verdichtete Weisheit“ eben, wie sie nun das Cover des 14. Tocotronic-Albums verspricht. Das erscheint – siehe Liebesgeschichte – wahrscheinlich nicht zufällig am Valentinstag. Die „Goldenen Jahre“, die hier auf Albumlänge besungen werden, verdeutlichen eine alte Weisheit: Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Musikalisch und lyrisch schon, aber zwischen den persönlichen und politischen Gräben, die sich hier auftun, schwelt das ständige selbstreflexive Hinterfragen. In Zeiten wie diesen eine Tugend, die es – am besten ganz oben in den Charts – zu pflegen gilt.

 

Provinz

Marathon

Fast scheint es, als würde es die beiden Cousins aus der Nähe von Ravensburg, die mit zwei Freunden die musikalische Provinz abbilden, immer weiter rausziehen in die Welt. Vor knapp fünf Jahren waren sie mit „Wir bauten uns Amerika“ noch eine indiemusikalische Entdeckung, die es bis auf Platz vier der bundesdeutschen Albumcharts schaffte. Gut zwei Jahre später wurde mit „Zorn & Liebe“ (und unter anderem mit der Unterstützung von Nina Chuba und Danger Dan) sogar Platz zwei erobert. Mit Album Nummer drei scheint es jetzt noch weiter in die Ferne zu gehen. Das drückt sich schon durch ihren Umzug nach Hamburg aus, einer Art Tor zur Welt, das hier auch musikalisch zum Ausdruck kommt. Aber auch im Albumtitel, der Naturgewalt und Innerlichkeit gleichermaßen beschwört, dem stürmischen Drängen der Wellen Momente der Windstille entgegenzusetzen, in denen melancholisches In-sich-Ruhen durchaus gewünscht ist. Dem endlosen Sommer der Jugend folgt der Aufbruch zu neuen Ufern. Zu einem Gefühl, das doch ganz und gar Provinz bleibt.

 


 

Joris

zu viel retro

Joris, das ist so ein bisschen der Tim Bendzko oder Wincent Weiss für das etwas anspruchsvollere Liedermacher-Pop-Publikum. Ein politisch sehr engagierter, mehrfacher Echo-Preisträger, der sein Handwerk an der Popakademie in Mannheim lernen durfte und dessen Kariere 2015 „Hoffnungslos hoffnungsvoll“ mit einem Top-drei-Album begonnen hat. Zehn Jahre und zwei weitere Alben später ist es gefühlt ein halbes Leben, das von Joris mit Unterstützung seiner Band besungen wird. Zwischen lieben und leben lassen, Gewinn und Verlust, zwischen zu wenig sagen und zu viel schweigen. Dass das alles noch direkter klingt als auf den Vorgängern, liegt nicht nur an Joris’ größerer introspektiver Reife, sondern auch am Aufnahmeprozess: Das Album wurde wie früher live in einem Raum eingespielt. Das sorgt für Überraschungen, Unperfektheit und rauen Charme, was alles genau den Unterschied ausmacht, der eingangs benannt worden ist.

Sotiria

Meine Liebe ist Gift

Und nun zu etwas ganz anderem, wie Monty Python es früher ausgedrückt hätten. Zu einer Sängerin, die sich eine KI wahrscheinlich ausdenken würde, wenn es sie in Verkörperung der ehemaligen Eisblume-Frontfrau nicht längst gäbe. Denn Sotiria verkörpert alles, was einen Großteil des deutschen Pop-Publikums begeistert: die dunkle Romantik eines großäugigen Manga-Mädchens mit dem mittelalterlich anmutenden Heavy-Rock, der vor allem in Deutschland so viele Fans hat. Das Pathos von Unheilig, dessen Graf ihr die Lieder schrieb, mit der Schlageraffinität, die sie an der Seite von Nino de Angelo die Bühnen der Republik füllen ließ. „Meine Liebe ist Gift“ macht mehr als drei Jahre nach „Mein Herz“ genau da weiter: bei der schwerromantischen Öffnung eben jenes Herzens, beim sprichwörtlichen Herzblut und bei den dunklen Seiten der Liebe, die sich nicht nur bei Sotiria in Gift verwandeln kann. Oder in das nächste Top-Ten-Album.

Olly Alexander

Polari

Die britische Band Years & Years, das war eigentlich schon immer vor allem einer: Frontmann Olly Alexander, der nach dem Weggang seiner Bandkollegen praktisch allein für das dritte Album „Night Call“ eingestanden ist. Im Prinzip war das also bereits das Soloprojekt, für das er nun ganz unter seinem eigenen Namen queere Lebensrealität auslebt und gewohnt quirligen Pop abliefert. Produziert von Danny L Harle (Nile Rodgers, Dua Lipa), bezieht sich der Albumtitel auf die geheime Sprache homosexueller Männer zwischen den 1930er- und 1970er-Jahren, die auch unter Schaustellern und Theaterleuten verbreitet war. Einem Berufsstand, dem sich auch Olly Alexander zugehörig fühlen dürfte. Mit dem Bogen von Amor zielt er nicht nur auf dem Cover direkt ins Herz seiner Fanbase, die nach Jahren und Jahren nun ganz direkt bei ihrem Idol andocken darf. Ihre Disco wird’s freuen … 

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